Ein Chatbot als Ministerin
Rama verkauft diesen Plan als Meilenstein im Kampf gegen Korruption – und als Signal an Brüssel, dass Albanien reif für den EU-Beitritt sei. Doch bei genauerem Hinsehen wirft die Idee mehr Fragen auf, als sie beantwortet.
Der Name Diella bedeutet auf Albanisch „Sonne“. Optisch tritt Diella als junge Frau in traditioneller Tracht auf. Tatsächlich handelt es sich um eine Software, die in Zusammenarbeit mit Microsoft entwickelt wurde. Sie ist bereits seit Anfang 2025 aktiv und unterstützt Bürgerinnen und Bürger auf Regierungsportalen beim Einreichen von Dokumenten oder beim Suchen nach Informationen. Nun soll sie den Sprung von einer virtuellen Assistentin ins Kabinett schaffen – eine Premiere in Europa.
Große Versprechen, unklare Umsetzung
Rama kündigte an, dass öffentliche Ausschreibungen künftig „100 Prozent frei von Korruption“ sein sollen. Mit Diella wolle er einen neutralen Akteur einsetzen, der keine persönlichen Interessen habe und daher nicht bestechlich sei. Wie genau diese Kontrolle aussehen soll, welche Daten die Software auswertet und wer die Ergebnisse überprüft, bleibt allerdings im Dunkeln. Ohne klare Regeln wirkt das Ganze eher wie eine politische Inszenierung als ein praktischer Lösungsansatz.
Die Opposition schlägt Alarm
Die konservative Demokratische Partei reagierte scharf. Ihr Fraktionschef Gazment Bardhi erklärte, Ramas Pläne seien schlicht verfassungswidrig. Die albanische Verfassung verlangt von Ministerinnen und Ministern, dass sie Staatsbürger sind, volljährig und geistig gesund. Eine Software erfüllt keine dieser Kriterien. Außerdem wäre für eine solche Änderung eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament notwendig – Ramas Sozialistische Partei hat zwar die absolute Mehrheit, diese Hürde schafft sie jedoch nicht allein.
Rama und die Lust an der Inszenierung
Der Premierminister ist nicht nur Politiker, sondern auch Künstler. Er liebt große Gesten, die weltweit Aufmerksamkeit erregen. Erst im Mai sorgte er für Aufsehen, als er beim Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni auf dem roten Teppich mit einem Kniefall begrüßte. Auch die Ernennung einer „KI-Ministerin“ passt in dieses Muster: progressiv, spektakulär – aber inhaltlich fragwürdig.
Clever PR-Idee, aber auch nicht mehr
Ein Chatbot ersetzt keine echten Antikorruptionsmaßnahmen. Korruption lässt sich nicht durch eine digitale Figur im Kabinett beseitigen, sondern nur durch funktionierende Institutionen, unabhängige Justiz und strenge Kontrollen. Ramas Vorstoß zeigt, wie leicht KI zur politischen Symbolik gemacht wird. Am Ende bleibt die Frage: Geht es hier um ehrliche Reformen – oder nur darum, Brüssel und die Öffentlichkeit mit einer „innovativen“ Idee zu beeindrucken? Für echte Glaubwürdigkeit braucht Albanien weniger Theater und mehr Substanz.
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