Vom Hamburger Fischmarkt zum Hightech-Hörschutz
Was 2016 mit einem schlaflosen Sommerabend und einem nervigen Geräuschmix vom Fischmarkt begann, ist heute ein mehrfach ausgezeichnetes Hightech-Unternehmen. Der Name des Produkts: ANCOR – ein aktives Antischallsystem für Baumaschinen und Traktoren. Damit lassen sich nicht nur Motorenlärm und Vibrationen dämpfen, sondern auch Gespräche über Funk besser verstehen. Und das mit einem simplen Fußpedal, damit die Hände frei bleiben – ein echter Sicherheitsvorteil auf dem Bau oder bei der Forstarbeit.
Antischall statt Ohropax: Wie ANCOR funktioniert
Wer glaubt, Lärm könne man nur dämpfen, hat noch nie von „destruktiver Interferenz“ gehört. Klingt kompliziert, ist aber schnell erklärt: Störende Schallwellen werden von Mikrofonen erkannt, in Echtzeit berechnet – und mit gegensätzlichen Schallwellen neutralisiert. Das Ergebnis: Bis zu 50 % weniger Lärm im Ohr, obwohl es technisch „nur“ rund zehn Dezibel sind. In der Praxis aber ein echter Gamechanger.
Das ANCOR-System lässt sich einfach an der Kopfstütze eines Fahrzeugsitzes befestigen – daher auch der Name der Standardausführung: „Headrest“. Für Maschinen ohne Kopfstützen gibt es „ANCOR Custom“, individuell angepasst auf jeden Fahrzeugtyp.
Und weil gute Kommunikation auf dem Bau über Leben und Gesundheit entscheiden kann, ist ANCOR nicht nur ein Anti-Lärm-System, sondern auch eine intelligente Schaltzentrale: Funk, Musik, Telefonie – alles steuerbar, alles eingebettet in ein System, das auf die Arbeit draußen zugeschnitten ist.
Millionen für mehr Ruhe: Vom Startup zum Branchenplayer
Anfangs versuchte recalm noch, Flugzeugsitze mit Antischalltechnik auszustatten. Doch die Branche war zu träge, zu teuer, zu zertifizierungswahnsinnig. Also folgte der Pivot: rein in die Kabinen von Bau- und Landmaschinen – ein Markt mit echten Schmerzen und offenen Ohren für smarte Lösungen.
Der Lohn für die Neuausrichtung kam schnell. recalm gewann 2019 den Deutschen Arbeitsschutzpreis und sammelte in mehreren Runden frisches Kapital ein. Der große Durchbruch kam 2025, als das Startup eine Finanzierungsrunde über 3 Millionen Euro abschloss – beteiligt: KRONE, SymbiaVC, bmp Ventures und andere Investoren mit langem Atem und einem Faible für Zukunftstechnologie.
Inzwischen produziert recalm selbst – in einer eigenen 800-Quadratmeter-Halle in Barleben bei Magdeburg. Das Team wächst, der Kundenstamm ebenso. Große Namen wie SENNEBOGEN, KAISER und Menzi Muck setzen bereits auf ANCOR. Gleichzeitig wird an der nächsten Generation gearbeitet: Eine Softwarelösung, die auch ohne Hardware auskommt. Und wer weiß – vielleicht fliegt ANCOR eines Tages doch noch in der Business Class mit.
Lang ersehnte Problemlösung
Wenn Lärm zur Volkskrankheit wird und keiner was dagegen tut, ist es nur logisch, dass Startups wie recalm das Heft in die Hand nehmen. Dass es dafür erst ein paar schlaflose Nächte in Hamburg gebraucht hat, ist fast schon poetisch. Was aber nachdenklich stimmt: Es ist 2025 – und erst jetzt wird systematisch gegen Arbeitslärm vorgegangen? Die Politik redet über Arbeitsschutz, aber ein kleines Unternehmen aus Altona zeigt, wie es wirklich geht. Da fragt man sich schon, wer hier eigentlich die Lärmschutzpflicht hat – die Arbeitgeber oder ihre Angestellten selbst?
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